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Grundriss der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika (1954) (1954)


4/7 Die Einbeziehung des Westens und die regionalen Gegensätze

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"Auf nach dem Westen, junger Mann, um dort mit dem Lande aufzuwachsen!"

Horace Greeley, 1850

Der Krieg von 1812 war in einem gewissen Sinn ein zweiter Unabhängigkeitskrieg gewesen, denn bis zu diesem Zeitpunkt waren die Vereinigten Staaten im Kreise der Mächte noch nicht als voll gleichberechtigt anerkannt gewesen. Nach dem Vertrag von Gent, der den Krieg beendet hatte, konnte jedoch niemand mehr den USA die souveränen Staaten zustehende Behandlung versagen, und die meisten ernsthaften Schwierigkeiten, mit denen die junge Republik seit der Revolution zu kämpfen gehabt hatte, fielen nun fort. Das Land war geeint, ein Gleichgewicht zwischen Freiheit und Ordnung hergestellt und die Staatsschuld höchst unbedeutend; ein unerschlossener Kontinent war unter den Pflug zu nehmen: die Aussicht auf Frieden, Wohlstand und sozialen Fortschritt war ungetrübt.

Politisch war eine „Ära des guten Einvernehmens" angebrochen, denn ein Geist der Einigkeit stand über dem Wiederaufbau, der nach Friedensschluss eingesetzt hatte. Einmal war diese Einigkeit ans den mit dem amerikanischen Welthandel verbundenen Problemen herausgewachsen, die das Volk auf Gedeih und Verderb miteinander verbanden. Dann hatten die Entbehrungen der Kriegszeit bewiesen, wie wichtig es war, die amerikanische Industrie zu schützen, bis sie sich allein gegen die Konkurrenz des Auslandes zu behaupten vermochte. Die Auffassung setzte sich durch, dass die wirtschaftliche Unabhängigkeit ebenso wesentlich wie die politische sei, und in der Tat war ja eine politische Unabhängigkeit ohne wirtschaftliche Selbständigkeit von Grund auf unvollkommen. Der Revolutionskrieg hatte die staatliche Unabhängigkeit gebracht; nun machte sich das Land daran, auch die wirtschaftliche zu gewinnen.

Der Augenblick für eine Erhöhung der Zölle war günstig. Die Schafzüchter in Vermont und Ohio verlangten Schutz gegen die englische Wolleinfuhr. Die junge, einheimischen Hanf verarbeitende Sackleinen-Industrie von Kentucky, die für den Bedarf der Baumwollplantagen produzierte, sah sich von der schottischen Konkurrenz bedroht, und Pittsburgh, damals bereits ein blühender Mittelpunkt der Eisengiesserei, drängte darauf, den bisher von der britischen und schwedischen Eisenindustrie beherrschten amerikanischen Markt zu erobern. Unter solchen Einflüssen wurden durch das 1816 angenommene Zollgesetz die Zölle derart heraufgesetzt, dass die Fabriken das Gefühl wirklichen Schutzes hatten. Ausserdem wurde ein das ganze Land umfassendes Strassen- und Kanalnetz von all denen eifrig befürwortet, die von verbesserten Verkehrsbedingungen einen engeren wirtschaftlichen Zusammenschluss von Ost und West erhofften.

Die verfassungsmässige Stellung der Bundesregierung wurde gerade damals durch mehrere Beschlüsse des Obersten Bundesgerichts erheblich verstärkt. John Marshall aus Virginia, ein überzeugter Föderalist, der 1801 zum Obersten Bundesrichter ernannt worden war und diesen Posten bis zu seinem Tode im Jahre 1835 bekleidete, hatte dem vor seinem Amtsantritt ziemlich einflusslosen Gerichtshof eine Macht zu verschaffen verstanden, die der des Kongresses oder des Präsidenten gleichkam. Dies gab seinen Entscheidungen eine erhöhte geschichtliche Bedeutung und kam der Bundesregierung zugute, denn Marshall wich in seiner Amtszeit nie von dem einen leitenden Grundsatz ab, dass die Bundesregierung souverän sei. Marshall war nicht nur ein grosser Jurist, sondern auch von erheblichem politischem Einfluss auf die Fortentwicklung der amerikanischen Verfassung. Am Ende seiner langen Dienstzeit konnte er auf annähernd fünfzig Urteile zurückblicken, die eindeutig verfassungsrechtliche Fragen zum Gegenstand hatten, und seit seiner Amtszeit ist es seine Interpretation der Verfassung, auf die sich die amerikanische Justiz stützt. Mit einer seiner berühmten Entscheidungen (in dem Fall Marbury gegen Madison) hat er 1803 endgültig dem Obersten Bundesgericht die Kompetenz gesichert, die Gesetzgebung des Kongresses oder der Legislative eines Staates auf ihre Verfassungsmässigkeit zu überprüfen. In einem zweiten Falle (McCulloch gegen Maryland, 1819) ging es um das bereits von Jefferson und Hamilton erörterte Problem, ob die Verfassung der Regierung stillschweigende Vollmachten zuerkenne. Marshall entschied klar im Sinne Hamiltons, dass die Verfassung in der Tat solche Vollmachten über die ausdrücklich in ihr aufgezählten hinaus einschliesse. Auf diese und ähnliche Weise hat Marshall nicht weniger als die Politiker dazu beigetragen, der Regierung des amerikanischen Bundesstaates Leben und Kraft zu geben.

Dass das Nationalbewusstsein sich rührte, war auch auf dem so anders gearteten Felde amerikanischer Literatur zu spüren, deren eigentliche Anfänge in diese Periode fallen. Die wichtigsten Vertreter der neuen, typisch amerikanischen Richtung waren Washington Irving und James Fenimore Cooper. Irvings humorvolle „Geschichte New Yorks nach Diedrich Knickerbocker", die 1809 erschien, ist ganz dem amerikanischen Lokalkolorit verhaftet; einige von Irvings besten Werken (zum Beispiel „Rip Van Winkle") spielen im New Yorker Hudsontal und zeigen das Amerika des Märchens und des Abenteuers. Auch Cooper schrieb dann am besten, wenn er seine Motive aus der heimischen Landschaft nahm. Nach einem ersten Roman im konventionellen englischen Stil veröffentlichte er den „Spion", eine Geschichte aus der Revolutionszeit, die ihn über Nacht zu einem volkstümlichen Schriftsteller machte. Seine lebendig geschriebenen „Pioniere" schildern das einfache Leben der amerikanischen Grenzer, und in seinem „Lederstrumpf", der zwischen 1823 und 1841 in Fortsetzungen veröffentlicht wurde, schuf Cooper in dem Pionier Natty Bumppo und dem leichtfüssigen Indianerhäuptling Uncas unsterbliche Gestalten der Weltliteratur. Ein weiteres bedeutsames literarisches Ereignis war die Gründung der North American Review (Nordamerikanische Rundschau) im Jahre 1815. Diese Zeitschrift erreichte unter der Leitung ihres fähigen Redakteurs Jared Sparks ein ausgezeichnetes Niveau und erhielt genügend Beiträge und Unterstützung von den jungen Intellektuellen Neu-Englands, um sich einen dauernden Platz in der geistigen Entwicklung des Landes zu sichern.

Eine weitere Kraft, die viel zur Formung Amerikas beitrug, war das Leben am Rande der Wildnis, der frontier. Die Verhältnisse im Gebiet der Atlantikküste begünstigten die Auswanderung in das neu erworbene Binnenland, denn die Getreideböden im hügeligen Neu-England konnten es an Fruchtbarkeit nicht mit der billigen, reichen Ackerkrume im Westen aufnehmen; bald verliessen Männer und Frauen in einem ununterbrochenen Strom die Farmen in der Küstenebene, um von dem reichen Land im Innern Besitz zu ergreifen. Auch die Lebensbedingungen im Süden führten zu einer Abwanderung nach dem Westen; die Siedler im Binnengebiet Nord- und Süd-Carolinas und Virginias litten unter einem Mangel an Strassen und Kanälen und hatten deshalb keinen Zugang zu den Küstenmärkten; ein weiterer Grund ihrer Unzufriedenheit bestand in der politischen Vorherrschaft der grossen Plantagenbesitzer an der Küste. So machten auch sie sich auf den Weg und zogen langsam und stetig vom Atlantik zu den Rocky Mountains. Diese Bewegung war von tiefgehendem Einfluss auf den amerikanischen Charakter, denn sie half die Initiative des Einzelnen zu entwickeln und den Boden für politische und wirtschaftliche Demokratie vorzubereiten; sie schuf rauhere Sitten und schloss ein allzu konservatives Festhalten am Althergebrachten aus.

Ununterbrochen flutete der Strom westwärts über die erste frontier, die atlantische Küstenebene, hinaus in das Quellgebiet der Flüsse und über die Appalachen. Um 1800 waren das Mississippi- und das Ohiotal ein grosses Grenzland. Das Lied der Auswanderer: „Hei-o, auf, voran, stromab die Bahn auf dem Ohio!" war im Munde von Tausenden.

Die gewaltige Völkerwanderung zu Anfang des 19. Jahrhunderts führte mit geradezu verwirrender Geschwindigkeit zur Aufteilung der alten Territorien und zur Festsetzung neuer Grenzen, sie zwang zur Aufnahme neuer Staaten in den Bund und gab der politischen Landkarte östlich des Mississippi feste Formen. Innerhalb von sechs Jahren wurden sechs Staaten gegründet - Indiana 1816, Mississippi 1817, Illinois 1818, Alabama 1819, Maine 1820 und Missouri 1821. Die erste frontier war noch stark an Europa, die zweite an die Küstensiedlungen gebunden gewesen. Erst das Mississippital war wirklich unabhängig und auf den Westen ausgerichtet, nicht mehr auf den Osten.

Natürlich waren die Männer der frontier keine einheitliche und einförmige Bevölkerungsgruppe. Jäger und Fallensteller bildeten die Vorhut, nach einer Beschreibung des englischen Weltreisenden Fordham „ein verwegener, zäher Schlag Menschen, die in kümmerlichen Hütten leben ... Sie sind ungeschliffen, aber gastfreundlich, Fremden gegenüber freundlich, ehrlich und zuverlässig. Sie ziehen etwas Mais und Kürbisse und züchten Schweine, manche haben ein oder zwei Kühe ... trotzdem bleibt die Flinte ihre wichtigste Hilfe im Kampf um die Nahrung." Die Grenzer wussten Axt, Schlinge und Angel zu gebrauchen, sie schlugen Pfade durch die Wälder, bauten die ersten Blockhütten und hielten die Indianer in Schach.

Nach einiger Zeit verlegte sich gewöhnlich der Nachdruck im Leben der Siedler in der Wildnis von der Jagd auf die Landwirtschaft. Die Hütte wich einem bequemen Blockhaus mit Glasfenstern, einem richtigen Kamin und mehreren Zimmern, und das Wasser kam nun aus einem selbstgegrabenen Brunnen, nicht mehr einfach von der offenen Quelle. Ein fleissiger Mann konnte sein Stück Land sehr schnell roden, denn er musste nur die Bäume fällen und die Stümpfe verfaulen lassen, das übrige Holz konnte er verbrennen, um Pottasche daraus zu gewinnen. Ein Siedler baute in der Regel Korn, Gemüse und Obst für den eigenen Bedarf an, zog Vieh und Schweine, jagte in den Wäldern nach Wildbret und Truthühnern oder sammelte Honig und fischte in nahen Flüssen. Unternehmende Geister konnten grosse Strecken billigen Landes kaufen und wieder verkaufen, wenn die Bodenpreise stiegen, bevor sie nach Westen weiterzogen und anderen Platz machten.

Bald gesellten sich den Bauern Ärzte, Anwälte, Kleinhändler, Redakteure, Priester, Mechaniker und Politiker zu und vervollständigten das Bild einer rührig aufstrebenden Gesellschaft. Am wichtigsten waren die Farmer, denn sie blieben ihr ganzes Leben, wo sie sich angesiedelt hatten, und rechneten damit, dass ihre Kinder dasselbe tun würden. Im Vertrauen darauf bauten sie grössere Scheunen als ihre Vorgänger, errichteten feste Backstein- oder Holzhäuser, brachten besseres Vieh und besseres Saatgut ins Land und pflügten den Boden gründlicher. Manche errichteten Mühlen, Sägewerke und Brennereien; gute Landstrassen, Kirchen und Schulen entstanden.

Der Westen entwickelte sich so stürmisch, dass sich innerhalb weniger Jahre unglaublich vieles veränderte. Noch 1830 z.B. war Chicago nur ein Handelsposten mit einem Fort und ohne jede Zukunft. Jedoch lange bevor einige seiner ersten Siedler das Zeitliche gesegnet hatten, war es eine der grössten und reichsten Städte der Welt. Im Neuen Westen mischten sich auch die verschiedensten Nationalitäten. Farmer aus dem Hügelland im Süden herrschten vor (von ihnen stammte Abraham Lincoln ab, der in einer Blockhütte in Kentucky zur Welt kommen sollte); Iren schottischer Abstammung, Deutsche aus Pennsylvania, Neuengländer und manche anderen Nationalitäten waren vertreten.

Die Anziehungskraft des freien Bodens in Amerika reichte auch nach Europa hinüber. Über fünf Millionen Europäer kamen von 1820 bis 1860 in die Vereinigten Staaten, und obwohl eine Anzahl von ihnen sich in den Städten niederliess, erreichten viele andere, besonders Deutsche und Skandinavier, die Prärien des Mittelwestens und begannen ihr Leben in der Neuen Welt als Farmer oder Ackerbürger. Besonders bemerkenswert war die Einwanderung aus Deutschland; in dem Jahrhundert vor dem ersten Weltkrieg wurden die Vereinigten Staaten für über 5,3 Millionen Deutsche zur zweiten Heimat. Viele von ihnen haben die Kultur des Landes wesentlich bereichert, besonders die geistigen Führer des deutschen Liberalismus und die politischen Flüchtlinge, die vor Metternichs Demagogenverfolgung geflohen oder nach dem Scheitern der politischen Bewegungen von 1830 und 1848 ins Land geströmt waren. Einer von ihnen war Karl Follen, der Dichter der Burschenschaften, der in Amerika an hervorragender Stelle am Kampf für die Abschaffung der Sklaverei teilnahm, ein zweiter der Staatsphilosoph Franz Lieber, der später einen philosophischen Lehrstuhl an der Columbia-Universität innehatte; ferner gehörten zu ihnen Gustav Körner, der sich zu einem der leitenden Männer in der Republikanischen Partei aufschwang, der Richter und ausgezeichnete Philosoph J. Bernard Stallo und Karl Heinzen, der Reformer, Dichter und Literaturkritiker, der seinen radikalen Idealen treu blieb und es bis an sein Lebensende ablehnte, einen billigen Frieden mit Bismarck und seiner Lösung der „Einheitsfrage", die er für unethisch hielt, zu schliessen. Der hervorragendste Deutsch-Amerikaner war Carl Schurz. Er war nach dem Scheitern der Revolution von 1848 aus Deutschland nach den USA gekommen, hatte zunächst als Farmer angefangen und war später zu Politik und Rechtswissenschaft übergegangen. Unter Präsident Lincoln wurde er Gesandter in Spanien und später General im Bürgerkrieg. Nach dem Kriege arbeitete er als Journalist und verband sich mit verschiedenen politischen Reformbewegungen, vornehmlich während seiner Amtszeit als Innenminister unter Präsident Hayes.

Viele der Einwanderer waren nicht Intellektuelle, sondern Bauern und Farmer. Von den deutschen und skandinavischen Bauern konnten die in Amerika geborenen Farmer viel lernen, denn die Bauern waren in der Tradition sorgfältigster Bodenbewirtschaftung aufgewachsen und betrachteten ihre Höfe nicht lediglich als Einkommensquellen, sondern als Heimstätten, die von Generation zu Generation weitervererbt werden sollten. Amerikanische Farmer dagegen sahen im Boden gewöhnlich nur ein Objekt der Spekulation, denn Farmland war verhältnismässig leicht zu erwerben; dies hatte extensive Anbauverfahren und Raubbau am Boden und an anderen Naturschätzen zur Folge. Von einer solchen rein geschäftsmässigen Einstellung zum Farmerberuf waren viele Einwanderer weit entfernt und erzielten mit ihrer Ausdauer und Sorgfalt oft, vor allen Dingen auf die Dauer, bedeutend bessere Ergebnisse als die Yankees. So schrieb ein Farmer aus Missouri einmal an seine Angehörigen in Deutschland: „Ich baue mir eine Räucherkammer, eine Küche und eine Milchkammer über einer der ausgezeichneten Quellen in der Nähe unseres Hauses, einen Pferdestall und einen Kuhstall. Meine amerikanischen Nachbarn behaupten, ich baute eine ganze Stadt ..."

Es war unvermeidlich, dass die Expansion nach dem Westen auch in die Probleme der Sklavenbefreiung und in die politischen Gegensätze zwischen den Nord- und Südstaaten verstrickt wurde. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts und in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, als in den Nordstaaten die Sklaverei allmählich verschwand, glaubten namhafte Staatsmänner aus dem Süden wie Washington, Jefferson, Madison und Monroe voraussagen zu können, dass sie auch in ihren Staaten einmal absterben werde. Selbst weite Kreise im Süden waren bereit, die Ungerechtigkeit der Sklaverei zuzugeben. Im Laufe der Zeit jedoch verlor die Philosophie des Liberalismus, die während der Revolution auf dem Höhepunkt ihrer Wirkung gestanden hatte, an Kraft, und das Sklavenhalten, anstatt mit der Zeit weniger Gewinn abzuwerfen, brachte immer grössere Profite. Als dann im Jahre 1793 Eli Whitney seine epochemachende cotton gin (eine Maschine zur Entfernung der Baumwollsamen aus den Faserkapseln) erfand, war die Lage im Süden vollends verändert. Bis dahin hatte sich nur der Anbau langstapeliger Baumwollsorten, die im Gebiet der Atlantikküste gediehen, rentiert; die neue Maschine erlaubte nun auch den Anbau kurzstapeliger Arten und machte damit in dem ausgedehnten Binnengebiet der Südstaaten, wo „lange Stapel" nicht gediehen, die Baumwollpflanzung rentabel. So kam es, dass die Kultur der weissen Baumwolle und der schwarzen Sklaven in das Tal des unteren Mississippi und in Texas einzog, als die Baumwollpflanzer des Südens immer weiter in das westliche Neuland vordrangen. Immer seltener sprach man im Süden von der Befreiung der Sklaven, dafür aber immer häufiger von dem Gewinn, den die Sklavenarbeit abwarf. Zu Beginn der dreissiger Jahre des 18. Jahrhunderts gaben es die Politiker des Südens schliesslich auf, das Sklavenwesen zu entschuldigen, und begannen, es als „eine wirkliche Wohltat" und als die einzige Grundlage zu bezeichnen, auf der beide Rassen in Frieden und Harmonie miteinander leben könnten.

Die Gegensätze zwischen Norden und Süden kamen 1820 zum ersten Mal in einer politischen Krise zum Ausbruch. Man hatte es allgemein als politisch geboten erachtet, im Senat das Gleichgewicht zwischen Norden und Süden zu erhalten, und war zu diesem Zwecke übereingekommen, von den Staaten, die im Westen neu entstanden, je einen „Sklavenstaat" immer nur zusammen mit einem „freien" (d.h. vom Norden erschlossenen) Staat in den Bund aufzunehmen. Als die Aufnahme des „Sklavenstaates" Missouri allein vorgeschlagen wurde, erhoben naturgemäss zahlreiche Bürger der Nordstaaten energischen Widerspruch und wollten Missouri nur als „freien" Staat zulassen; grosse Erregung ergriff das ganze Land; für eine Weile war die Arbeit des Kongresses durch die bitteren Gegensätze lahmgelegt, und erst unter dem versöhnlichen Einfluss Henry Clays gelang der Ausgleich. Missouri wurde als sklavenhaltender Staat aufgenommen, aber zu gleicher Zeit trat Maine (das vom nördlichen Teil Massachusetts' abgetrennt worden war) als freier Staat in die Union ein, und der Kongress bestimmte, dass Sklaverei für immer aus dem Louisiana-Territorium, von der Südgrenze Missouris an gegen Norden, verbannt bleiben sollte. Eine Zeitlang beruhigten sich die Gegensätze zwischen den beiden Landesteilen. Jefferson aber sollte mit seiner Voraussage recht behalten, dass die Sklavenfrage, „die die Nation wie ein nächtliches Feuer aus der Ruhe aufgeschreckt hatte", weiter unter der Oberfläche schwelen würde. „Wenn das Land einmal in zwei geographische Räume geteilt ist, wenn die geographische Trennung mit einer prinzipiellen Verschiedenheit im Ethischen und Politischen zusammenfällt, wenn sich die Leidenschaften der Menschen einmal darüber erhitzt haben - dann wird die Scheidung nie mehr verschwinden. Jede neue Störung wird sie nur vertiefen."

Die landwirtschaftliche Erschliessung des Westens drang nur in Texas über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus und blieb sonst vor 1840 auf Missouri beschränkt. Im Fernen Westen hatte sich jedoch inzwischen dem Handel mit Fellen ein reiches Feld eröffnet, dessen Bedeutung für die Geschichte des Landes weit über den Wert der Pelze hinausgehen sollte. Genau wie zu Beginn der Erschliessung des Mississippitales durch die Franzosen - ja, wie bei den ersten westlichen Vorstössen der Engländer und Holländer über die Atlantische Küste hinaus - bahnte der Händler dem Siedler den Weg. Die französischen und schottisch-irischen Fallensteller erforschten die Systeme der grossen Flüsse und entdeckten sämtliche Pässe über die Rocky Mountains und das Sierra-Gebirge; die geographischen Kenntnisse der Händler von den westlichen Gebieten ermöglichten dann in den vierziger Jahren eine Wanderungsbewegung grösseren Stils und später die endgültige Landnahme im Innern des Kontinents.

Neben dem Land, das die Vereinigten Staaten aus der Wanderung nach Westen gewannen, übernahmen sie 1819 von Spanien sowohl Florida als auch die spanischen Ansprüche auf Oregon im Fernen Westen. (Die spanische Regierung bezahlte durch diesen Verkauf fünf Millionen Dollar Schulden, die sie bei amerikanischen Bürgern gemacht hatte und die von der Bundesregierung übernommen worden waren.)

Im Jahre 1817 war James Madison, der seine politische Laufbahn zweimal mit der Wahl ins höchste Staatsamt hatte krönen können, von James Monroe als Präsident abgelöst worden. Das Ereignis seiner Amtszeit, das Monroes Namen unsterblich gemacht hat, war die Verkündung der Monroe-Doktrin, die er in Zusammenarbeit mit seinem Aussenminister John Quincy Adams entwickelt hatte; sie war zum Teil durch die Politik der Heiligen Allianz hervorgerufen, durch die die konservativen Mächte Europas ihre „Legitimität" gegen die „Revolution" zu schützen versucht hatten. Weite Kreise Amerikas fürchteten, die Heilige Allianz werde die eben unabhängig gewordenen Republiken Lateinamerikas, die dem amerikanischen Vorbild gefolgt waren und sich gegen ihr Mutterland erhoben hatten, erneut unter spanische Botmässigkeit zu bringen versuchen, und Grossbritannien, das rege Handelsbeziehungen mit den unabhängigen Republiken unterhielt, schlug den Vereinigten Staaten eine gemeinsame scharfe Erklärung gegen die Intervention europäischer Mächte in Südamerika vor; Minister Adams jedoch riet zu einer individuellen Erklärung durch die amerikanische Regierung allein. In diesem Sinne fasste dann die Jahresbotschaft Präsident Monroes an den Kongress vom Dezember 1823 die Doktrin in vier Hauptpunkte zusammen:

  1. Nord- und Südamerika „dürfen von nun an von keiner europäischen Macht mehr zu künftiger Kolonisierung ausersehen werden";
  2. die Regierungssysteme der Mächte der Heiligen Allianz sind von dem amerikanischen System verschieden; jeder Versuch, sie auf Amerika zu übertragen, wird als „Bedrohung unseres Friedens und unserer Sicherheit betrachtet werden";
  3. die Vereinigten Staaten versprechen, die Politik der Nichteinmischung in die Angelegenheiten „der bestehenden Kolonien oder sonstiger Besitzungen aller europäischen Mächte" aufrecht zu erhalten;
  4. die Vereinigten Staaten haben nie an ausschliesslich europäischen Kriegen teilgenommen und beabsichtigen, auch fernerhin so zu handeln.

Zunächst nahmen die kontinentaleuropäischen Mächte, aber auch Grossbritannien und die lateinamerikanischen Republiken, die Monroe-Doktrin nicht sonderlich wichtig, ja nicht einmal der Kongress hielt es für nötig, sich in aller Form mit dem vom Präsidenten aufgestellten Programm zu befassen. Allmählich verstärkte sich jedoch das Gefühl für die Selbständigkeit des amerikanischen Kontinents, und bereits in den Jahren 1861-67 spielte die Monroe-Doktrin eine wesentliche Rolle, als das volle Gewicht des amerikanischen Einflusses gegen den Versuch Napoleons III., das Regime Erzherzog Maximilians von Österreich in Mexiko aufrechtzuerhalten, in die Waagschale geworfen wurde. Der Kampf gegen diese offensichtliche Missachtung der Monroe-Doktrin endete mit einem vollen Erfolg; sie war damit als ein wesentlicher Teil der politischen Tradition Amerikas erwiesen.

Während so die Monroe-Doktrin der Welt Amerikas aussenpolitische Orientierung klarmachte, konzentrierte sich das innenpolitische Interesse auf die Vorbereitungen zur Präsidentenwahl. Ein scharfer Kampf zwischen fünf Kandidaten (einer von ihnen war Andrew Jackson, der Held der Schlacht von New Orleans) endete mit der Wahl John Quincy Adams, eines gebildeten, erfahrenen und politisch klugen, aber eigensinnigen und unzugänglichen Mannes. Ausserordentliche Begabung, fester Charakter und ausgeprägter Gemeinschaftssinn waren in seinem Wesen mit eiskalter Strenge, barschen Umgangsformen und heftigen Vorurteilen in einer eigentümlichen Weise gemischt.

Während seiner Amtszeit formierten sich die amerikanischen Parteien neu; die Anhänger Adams nannten sich National-Republikaner (sie wurden später zu den Whigs), die Anhänger Jacksons gaben der Demokratischen Partei ein neues Gepräge. Adams Verwaltung war ehrenhaft und erfolgreich, obwohl sie das nationale Strassen- und Kanalsystem, das sie anstrebte, nicht zu schaffen vermochte. Seine Regierung war bei allen Handlungen darauf bedacht, Stimmen für die nächste Wahl zu werben, aber Adams' kaltes, intellektuelles Wesen gewann ihm keine Freunde, und in der Wahl von 1828 unterlag Adams einer ungeheuren Mehrheit für Jackson.

Die Pioniere des Westens, die Gründer der Gemeinwesen westlich der Alleghanies, hatten in vollem Vertrauen auf ihre Kraft die demokratischen Ideale der frontier in ihren Verfassungen verewigt. Ihre Lehren wirkten auf die älteren Staaten zurück und führten fast überall noch vor 1829 zur Einführung des allgemeinen Wahlrechts. Schon seit dem Kriege von 1812 war der Westen innerhalb der Union das Zünglein an der Macht-Waage gewesen; nun war dort die junge Demokratie aus den Kinderschuhen herausgewachsen und der politische Schwerpunkt verschob sich zusammen mit dem Schwerpunkt der Bevölkerung endgültig von der Atlantikküste nach Westen. Und der Westen, unterstützt von Parteigängern aus dem Osten, erhob Jackson, die Verkörperung des Geistes der frontier, auf den Präsidentenstuhl.

Dass das Volk nun überzeugt war, die volle Macht in den Händen zu halten, kam beim Amtsantritt Jacksons in Washington, D.C., überschäumend zum Ausdruck. Zehntausend Besucher aus allen Teilen des Landes drängten, Zeugen des Ereignisses zu werden. Jackson, gross, hager, ein Raubvogelgesicht unter einer prächtigen Mähne dichten weissen Haares, ging in schwarzem Strassenanzug, nur von wenigen Freunden begleitet und ohne Ehrenwache, durch die Menschenmenge die lehmige Pennsylvania Avenue hinauf, machte auf der obersten Stufe der grossen Steintreppe vor der östlichen Säulenhalle des Kapitols Halt, legte seinen Amtseid ab und verlas seine Antrittsrede, während die Massen ihn umjubelten und ihm die Hände schütteln wollten. Mit Mühe drängte er sich schliesslich zu seinem Pferd durch und ritt an der Spitze eines aller Förmlichkeit baren Zuges aus Kutschen und Bauernwagen und einer Menge Menschen allen Alters und verschiedenster Herkunft zum Weissen Haus.

Jackson war mit ganzem Herzen und ganzer Seele auf seiten des Volkes. Er war kurz nach dem Tode seines Vaters in schlimmstem Elend zur Welt gekommen und in bitterer Not aufgewachsen. Das hatte seinen Sinn und sein Verständnis für die Sache der Erniedrigten und Unterdrückten sein ganzes Leben lang wachgehalten. Als Junge hatte er im Revolutionskrieg gekämpft, seine beiden Brüder verloren und sich so mit vierzehn Jahren allein in der Welt gefunden. Später, als Anwalt, Pflanzer und Kaufmann im Grenzland, entwickelte er ein heftiges Misstrauen gegen die organisierte Finanz des Ostens, die einen starken Einfluss auf einen grossen Teil des Handels im Westen ausübte. Auf der anderen Seite hatte Jackson grosses Vertrauen in die Fähigkeit des „gewöhnlichen" Mannes, Aussergewöhnliches zu leisten, kurz, sein Glaubensbekenntnis war einfach und universal: er glaubte an den einfachen Mann, an politische Gleichberechtigung und gleiche wirtschaftliche Möglichkeiten für alle und hasste Monopole und Sonderrechte.

Jackson verfehlte nicht, seine neue Macht zu benutzen, um seine Ideen in die Tat umzusetzen. Dies wurde besonders in der Unnachgiebigkeit deutlich, mit der er von 1848 an Süd-Carolina gegenüber auftrat. Es ging um Schutzzölle: die Fabrikanten im Norden profitierten natürlich am meisten von ihnen, die Pflanzer im Süden dagegen hatten die Last der höheren Fabrikpreise zu tragen, und je mehr durch die Gesetzgebung des Kongresses die Zollsätze stiegen, desto reicher wurde das Land im Ganzen, desto schwächer aber die Wirtschaft in Süd-Carolina. Die Bevölkerung Süd-Carolinas hatte gehofft, Jackson werde seine Macht als Präsident zur Abänderung der Zollsätze benutzen, gegen die sie schon so lange opponiert hatte. Ihre Erwartungen erwiesen sich aber als falsch, denn Jackson, im Gegensatz zu allen Südstaaten, sah in Schutzzöllen nichts Verfassungswidriges, und als der Kongress 1832 ein neues Zollgesetz erliess, zögerte Jackson nicht, es zu unterzeichnen. Die Bevölkerung Süd-Carolinas gründete daraufhin eine „Partei für Staatsrechte" (State Rights Party), in der sich alle zusammenfanden, die an das „Prinzip der Nichtigkeitserklärung" glaubten, kraft dessen die Delegiertenversammlung eines Staates ein Gesetz des Kongresses für verfassungswidrig und somit (innerhalb ihres Staates) für null und nichtig erklären könne. Die neue gesetzgebende Körperschaft des Staates, deren Mitglieder sich schon im Wahlkampf zum „Nichtigkeitsprinzip" bekannt hatten, nahm mit überwältigender Mehrheit eine „Verordnung zur Nichtigkeitserklärung" (von Bundesgesetzen) an, die die Zollgesetze von 1828 und 1832 innerhalb der Staatsgrenzen für nichtig und verfassungswidrig erklärte und von allen Staatsbeamten die Ablegung eines Eids auf die „Verordnung" forderte. Sollte der Kongress auf diese Massnahme hin gegen den Staat Gewalt anwenden, dann, so beschloss die Versammlung, werde Süd-Carolina aus der Union austreten.

Im November 1832 sandte Jackson sieben kleinere Schiffe und ein Kriegsschiff nach Charleston mit dem Befehl, sich zu sofortigem Eingreifen gefechtsklar zu halten, und am 10. Dezember erliess er eine scharfe Proklamation gegen die Anhänger des „Nichtigkeitsgedankens". Süd-Carolina, so erklärte der Präsident, stehe „an der Schwelle von Revolte und Verrat"; er appelliere an das Volk des Staates, seine Treue zum Bund, für den seine Vorfahren gekämpft hätten, erneut zu beweisen. Mit Daniel Webster, einem der führenden Staatsmänner der Zeit, bestand er darauf, dass die Vereinigten Staaten nicht aus „einem Vertrag zwischen souveränen Staaten" hervorgegangen, sondern ein Bundesstaat seien, „in dessen Regierung die einzelnen Einwohner aller Staaten als Gesamtheit vertreten seien."

Inzwischen waren dem Kongress neue Zollgesetze vorgelegt worden, und es zeigte sich bald, dass nur noch ein Mann eine zwischen den Parteien vermittelnde Vorlage erfolgreich im Kongress durchbringen konnte - der grosse Verfechter der Schutzzölle, Senator Henry Clay. Nach seinem im Jahre 1833 in kurzer Zeit angenommenen ausgleichenden Zollgesetz sollten alle Abgaben, die 20% des Wertes der eingeführten Güter überstiegen, in mässigen Stufen soweit reduziert werden, dass bis 1842 alle Zölle die Höhe der gemässigten Sätze von 1816 erreicht haben würden.

Die Führer der „Nichtigkeitsbewegung" hatten die Unterstützung der anderen Südstaaten erwartet; diese aber verurteilten ausnahmslos das Vorgehen Süd-Carolinas als unklug und verfassungswidrig. Die „Verordnung" hätte im Februar in Kraft treten sollen; im Januar jedoch beschloss eine öffentliche Versammlung der Führer der „Staatsrechtspartei", sie auszusetzen, um den Ausgang der im Kongress schwebenden Verhandlungen abzuwarten, und im März hob die gesetzgebende Versammlung von Süd-Carolina schliesslich die „Verordnung" offiziell auf.

Beide Parteien verliessen das Feld mit wehenden Fahnen, denn jede beanspruchte den Sieg für sich. Dem Bund war durch seine Regierung der vorbehaltlose und prinzipielle Vorrang über die Staaten gesichert worden. Auf der anderen Seite aber hatte Süd-Carolina durch offenen Widerstand einen grossen Teil seiner Forderungen durchgesetzt und damit bewiesen, dass ein einzelner Staat dem Kongress seinen Willen aufzwingen konnte. Der ganze Zwischenfall hatte einen tiefen Einfluss auf die spätere Entwicklung der Theorie von den Reservatrechten der Einzelstaaten, denn die Führer des Südens hatten eingesehen, dass eine Nichtigkeitserklärung praktisch unwirksam war, und legten deshalb in ähnlichen Fällen in den nächsten dreissig Jahren das Hauptgewicht immer auf das Recht eines in Mitleidenschaft gezogenen Staates, aus der Union auszuscheiden.

Noch während der Streitigkeiten um das „Nichtigkeitsprinzip" hatte der aufregende Kampf um die Erneuerung der Konzession für die zweite „Bank der Vereinigten Staaten" und damit eine Kette von Ereignissen begonnen, die Jacksons Regierung einer starken Belastungsprobe unterwarfen. Die erste Bank der Vereinigten Staaten war im Jahre 1791 unter Hamilton mit einer Konzession auf zwanzig Jahre gegründet worden. Obwohl die Bundesregierung einen Teil des Stammkapitals besass, war es keine Staatsbank, sondern eine Privatgesellschaft, die Gewinne an ihre Aktionäre ausschüttete. Obgleich es ihr Zweck war, die Währung stabil zu halten und den Handel anzuregen, wurde sie doch von denjenigen abgelehnt, die glaubten, die Regierung gewähre damit einigen mächtigen Männern besondere Vorteile, und als die Konzession der Bank im Jahre 1811 ablief, wurde sie vom Kongress nicht erneuert. Danach besorgten einige Jahre lang von den Einzelstaaten konzessionierte Banken das Bankgeschäft, die aber mehr Geld in Umlauf brachten, als sie decken konnten, und damit grosse Verwirrung schufen. Es schien erwiesen, dass die Banken der einzelnen Staaten nicht fähig waren, dem Land eine einheitliche Währung zu geben, und im Jahre 1816 wurde eine der ersten Bank entsprechende zweite Bank der Vereinigten Staaten auf zwanzig Jahre konzessioniert.

Von ihrer Gründung an war die zweite Bank in den neueren Teilen des Landes und bei den weniger begüterten Schichten aller Gebiete unpopulär. Der Vorwurf kam erneut auf, dass sie im Grunde genommen Kreditwesen und Währung des Landes monopolartig beherrsche und bei ihren Geschäften die Interessen von wenigen reichen Leuten vertrete. In Wahrheit wurde sie im ganzen gut geführt und leistete der Nation wertvolle Dienste. Jackson aber, der ein energisches Veto gegen das Konzessionsgesetz einlegte, zog die Verfassungsmässigkeit der Bank in Zweifel und hielt ihr Fortbestehen für unerwünscht. Wenn dieses Veto auch Jacksons geringe Kenntnis der Anfangsgründe des Bank- und Finanzwesens verriet, so machte es doch den „Farmern, Handwerkern und Arbeitern" unmissverständlich klar, dass Jackson ein unwandelbarer Gegner jedes Gesetzes war, das „die Mächtigen noch mächtiger machte." Das Veto erregte ungeheures Aufsehen. Der Washington Globe erklärte zwar, es befreie das Land von einem Finanzmonopol, aber eine Anzahl Staatsmänner und Bankleute waren mit dem Gang der Ereignisse höchst unzufrieden. Die bevorstehende Präsidentenwahl sollte darüber entscheiden, ob der Kongress oder der Präsident den Willen des Volkes richtig eingeschätzt hatte.

Der folgende Wahlfeldzug stand völlig unter dem Zeichen des Streites um die Bank. Der grundlegende Riss ging zwischen der Klasse der Kaufleute, Fabrikanten und Finanzleute auf der einen Seite und den Arbeitern und der Landwirtschaft auf der anderen Seite durch - d.h. diejenigen, die den neuen demokratischen Umbruch fürchteten, standen denen gegenüber, die mit Jackson aus vollem Herzen übereinstimmten. Das Ergebnis war eine begeisterte Bestätigung für die Sache des „Jacksonismus".

Jackson sah in seiner Wiederwahl einen Auftrag des Volkes, die Bank vollkommen zu zerschlagen und ihr künftiges Wiederaufleben zu verhindern. Er bediente sich zu diesem Zwecke einer Bestimmung der Konzessionsurkunde, kraft derer öffentliche Mittel aus der Bank abgerufen werden konnten, und ordnete Ende September 1833 an, Gelder der Bundesregierung nicht mehr in der Bank der Vereinigten Staaten zu deponieren und das bestehende Guthaben der Regierung nach und nach zur Deckung der ordentlichen Ausgaben abzuheben. Anstatt in der Staatsbank wurde das Geld der Regierung in einigen einzelstaatlichen Banken, die der Regierung Jackson freundlich gegenüberstanden, deponiert; diese aber benutzten ihr neues Kapital häufig dazu, unbesonnen grosse Kredite zu gewähren und so die Spekulation mit Grundstücken zu fördern. Die Hochkonjunktur in Bodenspekulationen fand 1837, kurz bevor Jackson aus dem Amt ausschied, ein plötzliches Ende; die einsetzende Depression schmälerte zwar Jacksons Beliebtheit nicht, brachte jedoch seinem Freund und Nachfolger Martin Van Buren erhebliche Schwierigkeiten. Er war 1836, dank der Spaltung der konservativen Partei der Whigs unter Henry Clay und Daniel Webster, von einer guten Mehrheit gewählt worden, hatte aber nicht Jacksons ausgeprägten Charakter und war deshalb in Krisen weniger fähig, sich seine Volkstümlichkeit zu erhalten. Er versuchte, Jacksons Reformpolitik fortzusetzen - bemerkenswert war die Einführung des Zehnstundentages für Regierungsangestellte -, aber als er sich 1840 zur Wiederwahl stellte, hielt man ihn nicht für den Mann, der Jahren der Not und niedriger Löhne gewachsen war.

Der Präsidentschaftskandidat der Whigs, William Henry Harrison aus Ohio, betrachtete sich nach dem Vorbild Jacksons als einen echten Vertreter des demokratischen Westens und war, als Held der Schlacht von Tippecanoe im Kriege von 1812, sehr populär. John Tyler, der Kandidat für die Vizepräsidentenstelle, hatte wegen seiner Haltung in der Frage der Rechte der Staaten und wegen seines Eintretens für niedrige Zollsätze viele Freunde im Süden. Der ganze Wahlfeldzug der Whigs war ein ausgelassener Rummel, überall wurden gewaltige Massenversammlungen und Gelage im Freien abgehalten, Fackelzüge bewegten sich durch die Strassen, die Frauen waren beinahe ebenso beteiligt wie die Männer. Die Begeisterung fand wie von selbst Ausdruck im Gesang, und bald war das Lied „Old Tippecanoe" in aller Munde. Die Wahl endete mit einem überwältigenden Sieg der Whigs. Aber obwohl diese sich über ihre Kandidaten einig gewesen waren, zerfielen sie über den nun einzuschlagenden Kurs miteinander, denn nun rächte es sich, dass sie in ihrer Wohlkampagne allen und jedem unverantwortliche Versprechungen gemacht hatten. Der achtundsechzigjährige Harrison starb einen Monat nach seiner Amtseinführung, und Tyler, dessen Ansichten von denen Clays und Websters, der noch immer einflussreichsten Männer des Landes, abwichen, wurde Präsident. Die Meinungsverschiedenheiten führten noch vor Ablauf von Tylers Amtszeit zum Bruch und brachten die Partei, die den Präsidenten gewählt hatte, in offenen Gegensatz zu ihm.

Als Andrew Jackson im Jahre 1829 seine Präsidentschaft antrat, gärte es von Unruhe und Auflehnung in der ganzen westlichen Welt, und der amerikanische Reformeifer, wie sehr er auch aus der eigenen Tiefe aufsprang, war Geist vom Geiste der breit dahinströmenden weltweiten Entwicklungen. Der Aufstand der Demokratie im Politischen, der Jackson zur Präsidentschaft erhob, war nur eine Etappe auf dem Vormarsch des einfachen Volkes zu grösseren Rechten und Möglichkeiten. In den dreissiger und vierziger Jahren glaubte man unbeschwert an die Möglichkeit, die Menschheit zu vervollkommnen, und aus solchem Glauben erwuchsen befreiende Kräfte im intellektuellen und geistigen wie im materiellen Leben der Menschen.

Die gleiche Periode, die eine Blüte des politischen Liberalismus erlebt hatte, wurde Zeuge der ersten Arbeiterorganisation. Schon 1838 konnten die Gewerkschaften, deren Mitgliederzahl in den Städten der Nordküste auf einige 300 000 gestiegen war, vielerorts die Arbeitsbedingungen verbessern. Den Gewerkschaften in Philadelphia gelang es 1835, ihre Lieblingsreform, den Zehnstundentag, anstelle des bisherigen Arbeitstages „von Dunkelheit zu Dunkelheit" durchzudrücken. Dies war ein erster Anfang; ähnliche Reformen folgten in andern Orten, wie New Hampshire, Rhode Island, Ohio und Kalifornien, das 1850 in den Bund aufgenommen wurde.

Die Tätigkeit der Gewerkschaftsbewegung und ihr Eifer für humanitäre Reformen waren aus der fortschrittlichen Bewegung der Zeit nicht wegzudenken. Besonders bedeutungsvoll war ihr Kampf für die Demokratisierung der Erziehung. Die Ausdehnung des Wahlrechts auf alle Männer gab der Idee der Bildung einen neuen Sinn, denn das allgemeine Stimmrecht war, wie weitblickende Staatsmänner erkannten, gefährlich, wenn sich allgemeine Unwissenheit damit verband. Die Bestrebungen von Männern wie De Witt Clinton in New York, Abraham Lincoln in Illinois und Horace Mann in Massachusetts wurden durch einen kräftigen und pausenlosen Aufklärungsfeldzug der organisierten Arbeiterschaft in den Städten unterstützt. Arbeiterführer forderten freie, aus Steuermitteln unterstützte Schulen, die allen offen stehen sollten und den Makel einer Wohlfahrtseinrichtung vermeiden würden. Im Jahre 1830 verkündeten die Arbeiter von Philadelphia: „... wirkliche Freiheit kann ohne weitverbreitetes Wissen nicht bestehen ... Solange die Mittel für einen gleichwertigen Unterricht nicht allen gleichmässig zur Verfügung stehen, ist Freiheit nur ein nichtssagendes Wort und Gleichheit ein blosser Schatten."

Nach und nach wurde in einem Staat nach dem andern die freie Schule gesetzlich eingeführt. In den vierziger Jahren hatte sich die öffentliche Schule im nördlichen Teil des Landes allgemein durchgesetzt, und in den anderen Gebieten wurde der Kampf bis zum endlichen Sieg weitergeführt.

Der gleiche Idealismus, der die Männer weitgehend von ihren alten Fesseln befreite, erweckte auch in den Frauen das Bewusstsein ihrer eigenen gesellschaftlichen Inferiorität. Von der Kolonialzeit an hatte die unverheiratete Frau vor dem Gesetz in vieler Hinsicht dieselben Rechte besessen wie der Mann. Jedoch die Sitte erforderte es, früh zu heiraten, und Heirat bedeutete für die Frau einen fast völligen Verlust ihrer Eigenschaft als „Person" vor dem Recht. Die Erziehung der Frau beschränkte sich weitgehend auf Lesen, Schreiben, Musik, Tanzen und Handarbeiten; Frauen hatten natürlich kein Wahlrecht. Die Frauen verdankten die ersten Anregungen zur Reform einem Besuch der fortschrittlich denkenden Schottin Frances Wright in Amerika. Dass sie in Versammlungen über Theologie und die Rechte der Frauen sprach, schockierte zwar die Öffentlichkeit; ihr Beispiel jedoch rief bald so bedeutende Gestalten der amerikanischen Frauenbewegung wie Lucretia Mott, eine Quäkerin aus Philadelphia, Susan B. Anthony und Elizabeth Cady Stanton auf den Plan, die der Verachtung der Männer wie auch der Mehrzahl der Frauen trotzten und ihre Kraft dem Kampf gegen die Sklaverei, der Frauenbewegung und der Arbeiterwohlfahrt widmeten. 1848 wurde in Seneca Falls im Staate New York die erste Tagung für Frauenrecht in der Geschichte abgehalten. Die Delegierten fassten eine Resolution, in der gesetzliche Gleichstellung mit den Männern in Erziehung und Beruf sowie im Stimmrecht verlangt wurde. Die Führerinnen der Frauenbewegung standen auch nicht völlig allein; berühmte Männer wie Ralph Waldo Emerson, Lincoln und Horace Greeley arbeiteten mit und hielten Vorträge zur Förderung ihrer Sache. Obwohl die Zeit der Agitation günstiger war als Taten, wurde vieles verbessert: 1839 gewährte Mississippi verheirateten Frauen Verfügungsgewalt über ihr eigenes Vermögen, und im Jahrzehnt danach wurden ähnliche Gesetze in sieben anderen Staaten erlassen. 1820 eröffnete Emma Willard ein Seminar für Mädchen; 1837 wurde Mount Holyoke, ein College für Frauen, gegründet. Noch kühner war die Einführung der Koëdukation, zuerst in drei Colleges in Ohio: Oberlin 1833, Urbana 1850 und Antioch 1853.

Das Vertrauen der Nation in die eigene Kraft fand seinen natürlichen Ausdruck in einer grossen literarischen Produktivität; in dem Jahrzehnt von 1830 und 1840 gelangte die amerikanische Literatur zu hoher Blüte. Henry Wadsworth Longfellow, John Greenleaf Whittier, Oliver Wendell Holmes und James Russell Lowell haben ihre Anfänge als Schriftsteller in jener Zeit. Emerson warb für den Gedanken des Individualismus und verkündete den Adel des Menschen in unvergänglichen Versen und Prosaschriften. Nathaniel Hawthorne und Edgar Allan Poe kreisten in ihren Werken um das Düstere und Übernatürliche im menschlichen Dasein und zeugten so von der Vielschichtigkeit des amerikanischen Geistes. Der bleibende Ruhm, den die meisten dieser Schriftsteller aus ihrer literarischen Tätigkeit gewannen, hat viele von ihnen nicht davon abgehalten, in die politischen Probleme der Zeit und in den Kampf für grössere Humanität aktiv einzugreifen.

Keiner ist so wie Whittier in Gedichten gegen die Sklaverei zu Felde gezogen; Longfellow veröffentlichte 1842 seine Poems on Slavery. Lowell gab die gegen die Sklaverei gerichtete Zeitschrift Pennsylvania Freeman heraus; George Bancroft kämpfte mit vollem Einsatz gegen die Staatsbanken und Bryant verband eine glänzende dichterische Laufbahn mit der Tätigkeit als Herausgeber der New York Evening Post von 1829 bis 1878 und leistete auch auf diesem Gebiet Ausgezeichnetes.

Die geistige Situation der Zeit begünstigte den neu erwachten Sinn für die Geschichte der Republik; eine systematische wissenschaftliche Geschichtsschreibung entstand. In den dreissiger Jahren begann Jared Sparks, der Jahre zuvor die „Nordamerikanische Rundschau" gegründet hatte, mit der Herausgabe historischer Dokumente, insbesondere der gesammelten Schriften Washingtons und Franklins und der diplomatischen Korrespondenzen aus der Zeit der Revolution. Im Jahre 1834 erschien der erste Band einer „Geschichte der Vereinigten Staaten von den frühesten Entdeckungen bis zur Annahme der Verfassung" von George Bancroft. Es war die erste umfassende Geschichte Amerikas, die auf kritisch verarbeitetem Quellenmaterial beruhte. Noch ehe das Jahrzehnt abgelaufen war, hatten Bancroft und William Prescott von der Fähigkeit amerikanischer Gelehrter, mit hohem stilistischen Feingefühl Geschichte zu schreiben, Zeugnis abgelegt.

In der Zeit von 1825 bis 1850 hob sich auch der materielle Wohlstand des Volkes zusehends. Nach 1825 begann die Dreschmaschine den Flegel und die Sortiertrommel zu verdrängen, und kurz danach wurden die Mähmaschine und der Mähdrescher erfunden. Der technische Genius des Volkes half, die Schwierigkeiten zum Teil zu überwinden, die aus der schnellen geographischen Ausdehnung für den Zusammenhalt der Nation entstanden waren. Die erste „Eisenbahn" war von Pferden gezogen gewesen und 1830 in Betrieb genommen worden. Danach nahm das (Dampf-) Eisenbahnnetz stetig zu, und um 1850 konnte man mit dem „Stahlross" von Maine bis Nord-Carolina, von der Atlantikküste bis Buffalo am Eriesee und vom Westende des Eriesees nach Chicago oder Cincinnati reisen. 1844 wurde der 1835 von S.F.B. Morse erfundene elektrische Telegraph erstmalig in Amerika benutzt, 1847 die erste, von Richard Hoe entwickelte Rotationspresse in Gebrauch genommen. Sie revolutionierte das Druckereiwesen und hat wesentlich dazu beigetragen, den Zeitungen ihre beherrschende Stellung im amerikanischen Leben zu sichern.

Wie stürmisch die Nation wuchs, war vor allem an der Zunahme der Bevölkerung abzulesen, die von ungefähr siebeneinviertel Millionen im Jahre 1812 auf über dreiundzwanzig Millionen im Jahre 1850 stieg. In dem gleichen Zeitraum wuchs das für Besiedlung zur Verfügung stehende Gebiet von 4,36 Millionen auf beinahe 7,7 Millionen Quadratkilometer und erreichte damit nahezu die Grösse des europäischen Kontinents. Neben einer blühenden Landwirtschaft entwickelten sich in raschem Tempo die verschiedensten Industrien nicht nur an der Ostküste, sondern auch in den aus dem Boden schiessenden Städten des Westens. Der Bestand der Nation und die Lebensfähigkeit ihrer Wirtschaft und ihrer Institutionen waren gesichert. Ungelöst blieben jedoch die grundsätzlichen, in den regionalen Unterschieden wurzelnden Konflikte, die im folgenden Jahrzehnt den Bürgerkrieg entfesseln sollten.

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