Volume 7, issue 1 (summer 1999)
Der Kirchenbau und die innere Ausstattung in der
Syrisch-Orthodoxen Kirche
eine Zusammenfassung*
von Gabriel Rabo
Summary
Über den Bau und die innere Ausstattung der
syrischen Kirchen berichten ab dem 3. Jh. als älteste Quellen
die Didascalia Apostolorum, die Klementinische und
Jakobos' Liturgie.1 Die älteste bisher bekannte syrische
Kirche wurde in Edessa in der um 550 entstandenen Edessanischen
Chronik bezeugt. Diese "große Kirche (haiklo) der
Christen" dürfte im Jahre 201 AD durch die Fluten des Flusses
Daison beschädigt worden sein.2 Weitere früher erbaute
Kirchen werden nach der syrischen Literatur in Mesopotamien
erwähnt: eine in Ktesiphon gegründet durch Mari, einen
Schüler von Addai, und zwei in Arbela aus der ersten
Hälfte des 2. Jhs. und aus der Zeit zwischen 165-181.3 Die
große Kirche' (Mor Ja 'qub?) in Nisibis dürfte wohl am
Anfang des 4. Jhs. durch den Bischof Ja 'qub von Nisibis (+338)
erbaut worden sein.4 Archäologisch bewiesen sind ein
christlicher Kultbau aus der zweiten Hälfte des 3. Jhs. in
Dura-Europos am Euphrat und die älteste bis jetzt sicher
datierte Kirche in Antiochien aus dem Jahre 372.5
Eine syrische Kirche ist meistens langgestreckt, nach Osten
gerichtet und wird vom Bischof mit Myron konsekriert. Der
Kirchenraum ist in drei wesentliche Teile gegliedert:
Der Altarraum (bet-qudshe oder qdush-qudshin,
sanctum sanctorum) hat drei Fenster, die die Dreifaltigkeit
symbolisieren, und trennt sich mit bis zu drei Treppen und einem
Vorhang (setro) vom Chor- bzw. Gemeinderaum ab. In der Mitte
befindet sich der Altar (foturo oder fotur haye,
Tisch des Lebens, madbho, Schlacht[ort], und trunus
thronos, Thron) aus wertvollem Holz oder Stein auf vier
Säulen. Darauf steht eine Kuppel mit Sternchen als Sinnbild
des Himmels und dem Bild einer Taube als Symbol für den Hl.
Geist. Die heutige Form der Altarfront wird mit einem Trauben- und
Weinstockbaum dekoriert, dort hängen die zwei liturgischen
Fächer (marouhoto), das Ganze wird mit einem kleinen
Vorhang (setro) zu bestimmten Zeiten verhüllt. Auf dem
Altartisch liegt die Altartafel (tablito), auf die der Kelch
und die Patenne bei der Feier der Eucharistie gelegt wird. Vor dem
Altar gibt es eine Altarstufe, die nur vom Zelebranten betreten
werden darf. Im Altarraum rechts befindet sich der Thron des
Bischofs, in der Mitte des königlichen Tors (taro o
malkoyo) das sakrale Buch, das Evangelium, das auf dem
Evangeliarpult (gogulto) liegt. Rechts und links befinden
sich die Geheimaltäre (gnize).
Der zweite Teil des Kircheninnenraums ist der Chorraum
(qestrumo, katastrooma), der sich wiederum durch eine Stufe
vom Kirchenschiff abtrennt. Rechts und links stehen die Chorpulte
(gude), auf denen die Diakone gemeinsam die Stundengebete
singen, und im Osten - vor dem königlichen Tor - das
Absolutionspult (gudo d-husoyo), wo auch das
Weihrauchfaß (firmo, pureion) hängt. Die
Einführung der Chöre im syrischen Westen geht nach der
syrischen Tradition auf Ignatius von Antiochien (+117) zurück,
im syrischen Osten mit zwei Chören auf Shem'un Bar Sabo'e
(+343).6 Vor dem königlichen Tor hängt
ebenfalls die sogenannte qandilo (kandèla) mit
weiteren kleineren Öllampen, die - seit dem 4. Jh. in
Anlehnung an Ex 27, 20-22 - ausschließlich Olivenöl als
Opfergabe der Gläubigen verbrennen soll.7 Auf der
südlichen Seite des Chorraums liegt das mit einem Vorhang
verhüllte Baptisterium (bet ma mudito).
Der dritte Hauptteil ist das Kirchenschiff (haiklo), das
in Ost- und Westteil durch eine Holzbarriere - bekannt seit der
Apostolischen Konstitution und Johannes Chrysostomus (+407) -
für Männer und Frauen geteilt ist.8 Das
Kirchenschiff hat drei Eingänge im Süden, Norden und
Westen als Symbol für die Dreifaltigkeit. In der Mitte des
Kirchenschiffes stand urprünglich das Bema (bima,
bèma) für den Prediger, das heute in den syrischen
Kirchen nicht mehr vorhanden ist. Eine Narthex oder ein Atrium mit
einem Brunnen gibt es ebenfalls für gottesdienstliche Zwecke.
Eine Kirchenglocke war auch von Anfang an von großer
Bedeutung.9
Der Kirchenbau und die innere Ausstattung der
syrischen Kirchen haben ohne Zweifel ältesten christlichen
Ursprung, deren Vorbild auf die alttestamentlichen und
altkirchlichen Traditionen zurückzuführen ist. Bei
eventuellen archäologischen Vorhaben im sehr früh
christianisierten Raum Edessa und Tur 'Abdin dürften neue
interessante Erkenntnisse über die Kirchenbauten gewonnen
werden.
Church construction and
-interiors in the Syrian Orthodox Church: a summary*
The earliest Syrian Orthodox church mentioned in the Edessene
Chronicle was damaged in 201. Several other Syriac churches are
known to have been built in the second and third centuries.
A Syrian Orthodox church is rectangular, pointed to the east and
it is consacrated by a bishop with myrrh. The church is divided
into three essential parts:
The altarspace (bet-qudshe/qdush-qudshin), which
is closed off from the rest by a veil and steps, containing the
altar with a dome, decorated with stars and a dove (symbolizing
heaven and the Holy Spirit), the Holy Gospel in the middle, and the
bishop's throne om the right, and hidden altars (gnize) on
the left and right. This space has three windows, in accordance
with the Holy Trinity.
The choral space (qestrumo), divided from the ship by
steps. The choir of deacons sits on the left and righthand side,
and on the east side the pulpit for Absolution, and the incensory.
In front of the gate of the altar space, oil lamps containing olive
oil (in accordance with Ex. 27, 20-21) are hung. At the southern
end of the choral space the baptistery (bet ma 'mudito) is
placed behind a veil.
The ship, which has three entries in accordance with the Holy
Trinity: south, north, west. It is divided into west-side and
east-side for for men and women. The bema for the priest
used to be placed here, but it is not anymore in use.
The construction and interior of the Syriac
churches originate most possibly in Old Testamental and ancient
ecclesiastical traditions, and in planning archaeological surveys
in the area of Edessa and Tur 'Abdin, new interesting insights
about church construction can be gained.
Notes
*
Dies ist eine Zusammenfassung des Vortrags, der auf dem 27.
Deutschen Orientalistentag am 2.10.1998 in Bonn gehalten wurde. Sie
wurde auch im Supplement der Zeitschrift der Deutschen
Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG), [1999],
aufgenommen. Sehe auch:
http://www.gwdg.de/~grabo/sok/kirchenbau.html
1
Funk, F. X., Didascalia et Constitutiones Apostolorum,
Paderborn 1905, Torino (2) 1979, 1, 159 ff; Die
Klementinische Liturgie, Hg. von Hans Lietzmann, Bonn 1910;
'The Greek Anaphora of St. James', in: Brightman, F. E.,
Liturgies Eastern and Western, 1, Oxford 1896, 31-68.
2
Vgl. Chronica Minora, ed. Guidi, I., (CSCO 1), Louvain 1907, 1 f;
Edessanische Chronik, in: Assemani, J. S.,
(Bibliotheca Orientalis Clemento-Vaticana, Bd 1), Roma
1719, 387 ff.
3
Vgl. Barhebräus, Chronicon Ecclesiasticum, Bd. 3,
ed. Abbeloos & Lamy, Paris/Louvain, 1877, 17 f; Saka, I.,
Suryoyuto: haimonuto wa-mdinoyuto, The History of the Syrian
Orthodox Church, Bd. 5, Damascus 1986, 16.
4
Vgl. Barhebräus, Chronicon Ecclesiasticum, Bd. 3,
31.
5
Vgl. Brandenburg, H., 'Kirchenbau I', in: Theologische
Realenzyklopädie 18, Berlin 1989, 422; Schneider, A.
M., Liturgie und Kirchenbau in Syrien, Göttingen
1949, 56.
6
Vgl. Saka, I., Suryoyuto: haimonuto wa-mdinoyuto, 22,
Barhebräus, Chronicon ecclesiasticum, Bd. 3,
33.
7
Vgl. Braun, J., Das christliche Altargerät in seinem
Sein und seiner Entwicklung, München 1932, 601.
8
Vgl. Saka, I., Fu oq qurobo, Bagdad 1977, 21;
Schneider, Liturgie und Kirchenbau in Syrien, 49.
9
Mehr über die innere Ausstattung einer syrischen Kirche und
ihre Symbolik: Jean de Dara, Le de Oblatione, ed.
Sader, J., (CSCO 308 ;
Syr 132),
Louvain, 1970; Mu e Bar Kipho, Fu oq (a)roz qurbono,
Hg. von Iwannis Ephrem Bilgic, Mardin 1957; Dionysius Bar Salibi,
Expositio Liturgiae, ed. Labourt, H., (CSCO 13), Louvain, 1955.
* See also:
http://www.gwdg.de/~grabo/sok/kirchenbau.html
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