Volume 6, issue 2 (winter 1998-1999)
Die Türkische Regierung schließt das Priesterseminar
des Klosters Mor Gabriel im Tur'Abdin
von Gabriel Rabo
Im April 1998 wurde das Kloster Mor Gabriel von
der türkischen Regierung angegriffen und ist
möglicherweise von einer Strafe bedroht. Dies ist innerhalb
von sechs Monaten das zweite Verbot von syrischer
Lehrtätigkeit im Tur'Abdin durch die türkischen
Behörden. Der Metropolit von Tur'Abdin wird sich endlich mit
Rechtsmitteln gegen die türkische Regierung wehren und
verwirrende Gesetze gegenüber den Syrern in der Türkei
ändern lassen.
In einem am 12.4.1998 datierten Schreiben forderte die
türkische Regierung die Leitung des Klosters Mor Gabriel auf,
die Lehrtätigkeit am Priesterseminar zu beenden. Das Dokument
(B02VGM1080002-2/7) wurde von M. Metin Önal, dem
Provinzialdirektor des Generaldirektorats für Stiftungen von
Diyarbakir (Vakifler Bölge Müdürlügü),
unterzeichnet und an den Stiftungsratsvorsitzenden des Klosters Isa
Gülten adressiert. Die türkische Behörde verbietet
aber auch jegliche Neubauten und Renovierungen im Kloster Mor
Gabriel, welche sofort stillgelegt werden mußten und seit
April ruhen. Das gleiche Verbot wurde im Oktober letzten Jahres
auch an das Kloster Dayr Za'faran verhängt, das Schlagzeilen
in den westlichen Medien machte und eine Diskussion zwischen
türkischen Abgeordneten und dem Innenministerium auslöste
(Kolo Suryoyo 119, 11-15 berichtete darüber). Der
Provinzialdirektor von Diyarbakir beschuldigte den Stiftungsrat des
Klosters Mor Gabriel, daß dort ohne Genehmigung Bau- und
Renovierungsmaßnahmen durchgeführt worden seien. Nach
dem türkischen Kultur- und Denkmalschutzgesetz 2863,
§§ 2 und 6 steht das Kloster - so der Direktor - unter
Denkmalschutz und daher ist eine Genehmigung für die
Renovierungsvorhaben durch das Kultusministerium erforderlich. Als
Anlaß für diese verhängten Maßnahmen gab
Önal ein ihm vorgelegtes Gutachten über das Kloster an:
Bei einer am 26.11.1997 durchgeführten Kontrolle durch die
türkischen Inspektoren wurden im Kloster Mor Gabriel
Renovierungs- und Baumaßnahmen festgestellt. Dabei handelte
es sich um eine Ummauerung des gesamten Klosterkomplexes, die das
Kloster vor den Überfällen schützen sollte, aber
auch um eine Freilegung der inneren Seitenmauern der Hauptkirche
des Klosters, welche im Jahre 512 durch den byzantinischen Kaiser
Anastasius I. (491-518) gebaut wurde. Nach anderen Informationen
blieb das byzantinische Deckmosaik im Altarraum unberührt,
aber die zwei Fresken seien verschwunden.
Ferner konfrontierte der Direktor den Stiftungsrat des Klosters
damit, daß trotz der Ausgaben und Einkünfte des Klosters
die gemeldete Geldsumme unangetastet blieb, und er forderte sie
auf, die Renovierungsausgaben und alle anderen Geldquellen des
Klosters bei der Haushaltsabrechnung für das Jahr 1998
mitzuberechnen und den staatlichen Stiftungsbehörden
vorzulegen. Er weiß augenscheinlich nicht, daß das
Kloster Mor Gabriel und andere kirchliche Institutionen
ausschließlich von Spenden finanziert werden. Eine staatliche
Unterstützung für syrische Kirchen und Klöster oder
Priester in der Türkei ist ein Tabu, wobei die moslemischen
Moscheen und Institutionen, Imame oder Religionslehrer von der
türkischen Regierung finanziert werden. Für Moslems ist
ein Ministerium für Religiöse Angelegenheiten (Diyanet
Isleri Bakanligi) eingerichtet, das sich als Nachfolger des
Scheichülislam in einem sogenannten "laizistischen Staat"
versteht.
Der wiederholte Vorwurf des türkischen Provinzialdirektors
sowohl in diesem Schreiben an das Kloster Mor Gabriel, als auch in
dem an das Kloster Dayr Za'faran vom letzten Jahr ist, daß
das Ziel der Klosterstiftungen nicht die Ausbildung der
Schüler sei. Aus diesem und den oben genannten Gründen
wird ein gerichtliches Strafverfahren gegen den Stiftungsrat des
Klosters in Angriff genommen, so die türkische
Behörde.
Der Metropolit Mor Timotheos Samuel Aktas von Tur'Abdin, der in
dem selben Kloster residiert und sich seit Jahrzehnten um die
Sanierung des Klosters bemüht, is völlig entsetzt. Er
erklärte gegenüber der Los Angelos Times (s.u.): er werde
eher sterben, bevor er erlaubt, daß das verhängte Verbot
durch die türkischen Autoritäten durchgesetzt wird. Nach
weiteren Informationen aus näheren Kreisen will er mit
Rechtsmitteln gegen die kontinuierlichen Erlasse entgehen. Die
beiden Metropoliten von Tur'Abdin und Istanbul wollen ein
juristisches Gremium aus Anwälten bilden und eine Erlaubnis
aus Ankara zum Syrisch- und Religionsunterricht durchsetzen. So hat
die syrisch-katholische Gemeinde in Istanbul diese Erlaubnis
bereits erhalten. Diesen Rechtsschritt hätten die Syrer in der
Türkei schon lange machen sollen, und zwar als 1978 der
Unterricht in den beiden Klöstern Dayr Za'faran und Mor
Gabriel verboten wurde. Es wäre auch nicht zu spät, wenn
jetzt die Satzungen der Klosterstiftungen geändert und die
konkreten Ziele der theologischen Ausbildung darin formuliert
würden.
Noch besser wäre es, wenn ein Antrag auf
die Anerkennung der Syrer als eine Minderheit in der Türkei
gestellt würde. Der Lausanner Vertrag (1923) nennt nur die
Armenier, Griechen und Juden als nationale Minderheiten. Unter
einigen türkischen Autoren gibt es seit den 70er Jahren eine
neue Ideologie, in der sie behaupten wollen, daß die Syrer
Türken und türkische Rasse seien, türkisches Blut
und eine türkische Abstammung hätten. Ihr Fazit lautet:
"Deswegen zählen wir sie ... keinesfalls zu einer Minderheit
und lehnen eine solche Nennung stark ab" . Gerade auch wegen
solcher Angriffe benötigen syrische Sprache, syrische Kultur
und syrische Religionsausübung den gesetzlichen Schutz einer
Anerkennung als Minderheit.
English/German summary:
http://www.gwdg.de/~grabo/news/morgabriel-tr.html
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