von der 'Kunst-Revue' der ‘Oesterreichs Illustrierte Zeitung’, 21 Jänner 1917
'Malerei und Weltkrieg'
von Franz Hausbrunner.

Jänner 1917 - Freies Wort der Freien Kunst

 

Wie wir schon in der November-Revue des vorigen Jahres berichteten, hat sich unter der Leitung- des Pressedienstes des Kriegsministeriums, unter dem Titel „Offizieller Kriegsbilderverlag, Oesterreich-Ungarns Wehrmacht im Weltkrieg", ein Unternehmen mit der dankenswerten Aufgabe gebildet, dem Publikum um den geringen Preis von zwei bis sechs Kronen farbige Reproduktionen guter Bilder vom großen Krieg zu vermitteln. Da sich dieses vaterländische Werk in der kurzen Zeit seines Bestehens der vollsten Sympathien des Publikums erfreut, das die Gelegenheit, um verhältnismäßig geringes Geld sich künstlerisch wertvolle Erinnerungen an den Krieg verschaffen zu können, verständnisvoll aufgegriffen hat, so wurde an die Ausgabe einer weiteren Anzahl von Reproduktionen von Werken bekannter Kriegsmaler geschritten, die in ihrem Künstlerwerte der ersten Folge keineswegs nachstehen.

Alfred Wesemann, dessen Bildnis unseres verstorbenen Kaisers unseren Lesern wohl noch in bester Erinnerung sein dürfte, hat nun auch Kaiser Karl I. im Felde als Generalobersten gemalt und mit den reichen Mitteln seiner Kunst in voller Porträtähnlichkeit festgehalten. Dem Bildnis verleiht insbesondere der originell, einfach und in duftigen Farben gehaltene Hintergrund einen intimen Reiz, der das charakteristische Profil unseres Kaisers doppelt stark zur Geltung bringt.

Berthold Löfflers „Horchposten" den wir gleichfalls wiedergeben, gehört zu den eindringlichsten Bildern, die wir in der an Kriegsbilderproduktion und -fabrikation sicherlich nicht armen Gegenwart gesehen haben. Die moderne Auffassung dieses eigenartigen Künstlers tritt gerade aus diesem Werk gut hervor, in dem sich die Zusammenziehung aller für Tirol bezeichnenden Merkmale, Berg, Wiese und Kruzifix, die entschlossene Haltung des Tiroler Schützen im Graben, mit dem Gewehr in der Rechten, der Stachelzaun um den Stamm des Kreuzes und die drohenden Gewitterwolken, zu einer Wirkung vereinigen, der sich kein Beschauer zu entziehen vermag.

Zwei Reiterstücke von Alexander Rothaug sind voll wilder Bewegung. Die Gruppierung der Figuren, die Haltung der Pferde, sind in so vollendeter Meisterschaft dargestellt, daß sich gerade diese beiden Blätter, die ein Hauch von Romantik, an der der Weltkrieg wohl sehr arm ist, gestreift hat, eine große Anzahl von Freunden erwerben dürften. Der alte Reitergeist, der den Söhnen unserer Monarchie zu eigen ist, weht uns aus diesen Werken eines Künstlers entgegen, der sonst meist nur verträumte, märchenhafte Sujets gemalt, der nun aber in der besten Weise gezeigt hat, daß er es ebenso vermag, naturalistische Motive aus dem großen Kriegsgeschehen in gleicher Vollendung zu behandeln.

Von N. Kubinyi ist das ganz eigenartig bewegte, ernste Stimmung auslösende Bild „Oesterreichisch-ungarische Artillerie im Winter 1915" erschienen, ein Werk, das auch der schärfsten Kritik standzuhalten vermag. Die Waffenstrekkung serbischer Truppen am Avalaberg von Roland Strasser, mit Typen, die die scharfe Beobachtungsgabe und den Blick für das rein Malerische,das diesem Künstler besonders zu eigen ist, gut erkennen lassen, ist ebenfalls eines der wirkungskräftigsten Bilder der neuen Serie und auch ein Werk, dem wegen seines Sujets historische Bedeutung zukommt. Ein Gemälde, das fast idyllisch anmutet, ist Rudolf Haukes Lagerszene, mit russischen Gefangenen im Vordergrund, schöner Architektur und gutem Himmel.

Von Hubert v. Zwickle wurde diesmal ein Kampfbild „Neuher-Husaren bei Limanova" reproduziert, eine besonders wilde Szene. Der „Russen-Massenangriff" von Alfred Basel ist einesjener wenigen Bilder, die Schilderung und Kunstwerk zugleich sind. Es ist ein echtes Kriegsbild, auf gute Wirkung gestellt, und mit dem Ausdruck innerer Wahrheit. Man ist davon überzeugt, daß der Maler dieses Bildes unbedingt einen Massenangriff beobachtet haben muß. Leider ist die Anzahl solcher Bilder vom Krieg, wie das schon geschilderte, nur sehr gering. Von welchem Wert Bilder, wie das Baseische, ganz abgesehen von seinem Kunstwert, für das große Publikum sind, liegt auf der Hand. Was hat sich zum Beispiel ein großer Teil der Leute, die das Kriegsgeschehen nur hinter der Front verfolgen, unter einem Massenangriff vorgestellt? Durch solche instruktive Bilder wird das Verständnis des großen Publikums wesentlich gehoben. Die „Granatenstimmung" von E. Stella muß auch als echtes Kriegsbild gewertet werden. Zerschossene Bäume, Trichter neben Trichter von den eingeschlagenen Granaten, mit Wasser ausgefüllt, und Soldaten, schwer bepackt, auf dem Marsch über das holperige Gelände.

Eine große Aufgabe hat der „Offizielle Kriegsbilderverlag" gelöst. Denn, wie im Kampf gegen die Schundliteratur die Flut der schlechten Erzeugnisse durch gute Bücher eingedämmt werden muß, so ist es im Interesse der Entwicklung des guten Geschmacks auch auf dem Kunstgebiete dringend notwendig, durch Schaffung und Verbreitung von guten Bildern oder deren Reproduktionen die Machwerke, die gerade nur der Krieg zu Hunderttausenden geschaffen, in den Schatten zu stellen. Und deshalb ist zu erwarten, daß das große Publikum die in technischer Vollendung hergestellten Reproduktionen des „Offiziellen Kriegsbilderverlages" gern erwerben wird, als wertvolle Erinnerungen an den großen Krieg.

DDG

 

 

Ueber die Kunsterziehung nach dem Kriege

Wilhelm von Bode, der Generaldirektor der Berliner Museen, hat vor kurzem in einem bedeutsamen Aufsatze die Aufgaben der Kunsterziehung nach dem Kriege umschrieben. Der Gelehrte kommt da, um das jetzt zu beklagende Ueberhandnehmen eines auf Akademien herangebildeten Künstlerproletariats einzuschränken, zu folgendem Vorschlage: Kunstakademie, Kunstgewerbeschule und Kunstschule sollten sich in eine einzige Anstalt verschmelzen, in der die Ausbildung zu einem praktischen kunstgewerblichen Beruf dasHauptziel bilden müßte, und welche mit den Fachschulen in enger Fühlung sein sollte, während den Uebergang zur freien Kunst nur wenig Auserwählte finden sollten. Die von Bode vorgeschlagene Reform unseres Kunstunterrichtswesens würde nach seiner Ansicht die jetzt zu beklagende Vergeudung zahlreicher geistiger Kräfte durch die Kunst, die nach dem Kriege geradezu ein Frevel wäre, unmöglich machen.

Zu diesem Aufsatz Bodes nimmt jetzt der Direktor der Kgl. Akadem. Hochschule für die bildenden Künste in Charlottenburg, Prof. Arthur Kampf, im neuen Hefte der „Woche" Stellung, indem er den Kernpunkt von Bodes Vorschlägen aufnimmt und etwas erweitert: „So bestechend der Gedanke der Einheitsschule in seiner Anwendung auch auf die Kunsterziehung auf den ersten Blick erscheint, so werden die Fachleute sich den Blick für die Schwierigkeiten in seiner Durchführung nicht trüben lassen, Schwierigkeiten, die im tiefsten Grunde psychologischer Natur sind. Die Fähigkeiten, die für die sogenannte hohe oder für die angewandte Kunst, das Kunstgewerbe, prädestinieren, sind wesentlich verschiedener Art und nur in den seltenen Fällen einer allumfassenden Künstlerschaft alle beieinander. Die weitaus meisten Künstler werden über eine gewisse Einseitigkeit der Begabung- verfügen. Die Schulung für die sogenannte hohe Kunst muß infolgedessen fraglos gänzlich anders sein, als die für die kunstgewerblichen Fächer. Das schließt nicht aus, daß die elementare Vorbereitung für beide Arten der Kunstbetätigung die gleiche ist, und daß wir hierfür also eine einheitliche Schulform finden werden. Die Fachausbildung in der hohen Kunst einerseits und die in den kunstgewerblichen Fächern andererseits wird notwendig jede ihre eigenen Wege gehen. Und so lange sich ein Volk nicht der Ehrenpflicht entziehen kann und will, das Seinige für die Pflege der Kunst zu tun, wird es auch die Mittel zur Förderung dieses Zweckes schaffen müssen, und.,dazu gehören in erster Linie mit die entsprechenden Schulen, das heißt die Akademien. Diese und Kunstgewerbeschulen werden also, als Fachschulen, auch künftighin nebeneinander bestehen müssen, da ihre Unterrichtsmethoden und ihre Ziele zu sehr voneinander verschieden sind, als daß sie auf die Dauer unter einem Dache zusammenbetrieben werden könnten. Wie jede dieser Schularten zu organisieren und einer etwaigen Reform zu unterziehen ist, das ist eine zweite Frage, die jede Generation von neuem zu lösen haben wird.

Eine weitere Tagesfrage ist die nach der Einschränkung des Besuches der Akademien, als einem Mittel, der Bildung eines Künstlerproletariats vorzubeugen. Eine objektive Prüfung dieser Frage führt möglicherweise zu dem Ergebnis, daß gar nicht so sehr die vielgeschmähten Akademien an der Ueberfüllung des Künstlerberufes die Schuld tragen, daß vielmehr die ungezügelte „Privatindustrie" im Kunstunterricht, in Verbindung mit der abnormen Gestaltung eines Teiles unseres Ausstellungswesens und Kunsthandels, bei der Schuldfrage stark in Betracht kommen.

Die Akademien mit ihren Aufnahmebedingungen und ihrem langjährigen Lehrgang schränken naturgemäß schon die Zahl derer ein, die ihre Ausbildung dort suchen und vollenden können. Je mehr dazu die Akademien in ihrem Bestreben, die strengste Auswahl vorzunehmen, geschützt werden, um so weniger wird sie der Vorwurf treffen können, unnütze Glieder im sozialen Organismus zu züchten. Daß „Zehntausende von Malern und Bildhauern die deutschen Städte bevölkern", ist wohl auch nicht wörtlich zu nehmen. Wir können auf eine Zahl von 4500 Künstlern, sehr breit gerechnet, kommen. Es wäre interessant, festzustellen, wie groß der Bruchteil der florentini-schen und venetiani-schen Künstler im 16. Jahrhundert oder der holländischen Künstler im 17. Jahrhundert innerhalb der Bevölkerung gewesen ist. Die Ziffer dürfte überraschend sein. Wir wissen ja aber auch, daß damals, genau wie heute, die Künstler mit gewissen Ausnahmen um ihre materielle Existenz zu ringen hatten. Kommen wir zu dem Ergebnis, daß in Wirklichkeit die Zahl der Künstler im Verhältnis zur Gesamtzahl der Bevölkerung keine ungesund große ist, so ist es vielleicht nur eine Frage der Organisation, um Angebot und Nachfrage zu regeln, daß beiden Teilen geholfen ist. Bei den heutigen Verkehrsmöglichkeiten ist eine Dezentralisation, zu der bereits lebensfähige Ansätze zu bemerken sind, durchaus möglich und zu wünschen.

Wir haben obige Ausführungen veröffentlicht, weil wir der Ansicht sind, dass zum grossen Teil dieselben auch für unsere österreichischen Verhältnisse zutreffend sein dürften. Vielleicht äussert sich von berufener Seite ein Kenner hierzu.

 

 

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